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Agenda 21-Prozess in Landau

Offener Brief an die Gemeinderatsfraktionen und den Vorstand der Stadt Landau

Landau, den 28.11.2000

Sehr geehrte Damen und Herren,

der vor nunmehr fast drei Jahren begonnene Agenda 21-Prozess für die Stadt Landau droht abzusterben. Dies hat m. E. vor allem seinen Grund darin, dass Politik und Verwaltung den ihnen von engagierten Bürgern zugespielten Ball bisher nicht aufgenommen haben: Die Umsetzung der ehrenamtlich in 4 Arbeitsgruppen erarbeiteten Vorschläge findet z. Zt. nicht statt.

Sollte es das Hauptamt weiterhin am erkennbaren Willen fehlen lassen, das Thema Nachhaltigkeit in die Stadtpolitik einzubringen, wäre es ehrlicher, das Projekt von der Tagesordnung zu nehmen. Damit aber hätte die Stadt Landau ein Vorhaben aufgegeben, mit dem sie an ihrem Ehrentag, dem bevorstehenden Rheinland-Pfalz-Tag, glänzen könnte.

Ich appelliere daher an Sie - auch aus Liebe und Sympathie für diese Stadt - , alles zu tun, damit neue Bewegung in den Agenda-Prozess kommt. Die Umsetzung der gemeinsam mit Bürgern und verschiedenen Interessenverbänden erarbeiteten Ideen ist eindeutig die Aufgabe von Politik und Verwaltung. Wer dies nicht sieht, verkennt den Anspruch, den der komplexe und vielschichtige Prozess der Umstellung eines Gemeinwesens auf Nachhaltigkeit an alle Beteiligten stellt.

Aus Akzeptanzgründen ist dieser Prozess nicht ohne Bürgerengagement hinzubekommen. Aus Gründen der Kontinuität, der Tiefenwirkung und der Professionalität ist er nur mit Hilfe eines entschiedenen Engagements der Verwaltung in Gang zu halten. Nur so nebenbei und mit "los, macht mal!" ist der gestellten Aufgabe leider nicht beizukommen. Agenda 21 ist wesentlich mehr als ein bisschen grüne Petersilie, mit der man Kommunalpolitik garniert.

Da Herstellung von Nachhaltigkeit eine umfassende Querschnittsaufgabe ist, bedarf es eines breit angelegten, von Wechselwirkungen bestimmten und von einer zentralen Stelle ständig neu anzustoßenden Prozesses. Dies möchte ich in dem als Anlage beigefügten Diagramm optisch aufzeigen.

Es ergeben sich daraus etwa folgende Konsequenzen:

  • Es bedarf eines städtischen Agenda-Büros, das nicht einer Einzelabteilung zugeordnet werden darf, sondern unmittelbar zum Stadtvorstand ist. Agenda 21-Politik muss Chefsache sein, wenn sie nicht von Anfang an den Keim des Scheitern in sich tragen soll. Ein Agenda-Büro muss Schaltstelle und Anlaufstelle für alle Seiten sein. Es bedarf einer fachlich qualifizierten Person mit Initiative, Bereitschaft zur Weiterbildung, Durchsetzungsfähigkeit und ausgeprägten kommunikativen Fähigkeiten. Die Stelle könnte zunächst mit einer ABM-Kraft besetzt werden.

  • In jeder Abteilung der Verwaltung muss es eine(n) erkennbar motivierte(n) Verantwortliche(n) für Agenda 21-Fragen geben. Denn: unabdingbar ist "die Verankerung eines Umweltmanagementsystems in der kommunalen Verwaltung als Instrument zur Unterstützung einer nachhaltigen kommunalen Entwicklung"; dies war u. a. ein Ergebnis eines kommunalpolitischen Erfahrungsaustauschs, der im März letzten Jahres in Koblenz stattfand.

  • Jede relevante Sitzungsvorlage muss die Darstellung ihrer Auswirkungen auf Umweltschutzziele enthalten. Dieses Verfahren ist in Zukunft beispielsweise für die Arbeit des baden-württembergischen Landeskabinetts vorgesehen.

  • Der kommunale Prozess zu mehr Nachhaltigkeit ist einer ständigen Qualitätskontrolle zu unterwerfen.

  • Wegen des ressortüberschreitenden Charakters der Arbeit muss bei den städtischen Bediensteten in allen Abteilungen und auf allen Ebenen ein deutlicher Wille zur Umsetzung geweckt werden. Vorhandener Wille ist zu unterstützen und zu belobigen. Es kommt an auf überzeugte, aktiv sich einbringende Mitarbeiter, die mit Herzblut und Initiative bei der Sache sind.

Was Hauptamtliche in einigen Sektoren zustande bringen können, zeigen die Aktivitäten Landaus beim Thema Sonnenenergie oder Umweltpädagogik. Dies wurde möglich, weil Bedienstete bei der "Energie Südwest" oder im Forstamt Landau ihre Aufgabe sehen und umsetzen.

Das Ehrenamt könnte Derartiges nie und nimmer leisten. Mehr als Anstoß geben ist einem berufstätigen Bürger nicht möglich.

Realistischerweise muss bedacht werden, dass eingespielte Verwaltungsstrukturen einem nicht einfach zu manövrierenden Tanker gleichen. Dies aber zu überwinden ist nun mal Aufgabe von Politik. Auch z.B. zu überprüfen, ob uninformierte Mitarbeiter dazu neigen, technische Innovationen zur CO2-Reduktion gerne schlechtzurechnen.

Wie ideenlos es in der Praxis leider zugehen kann, lässt sich z.B. an dem eher marginalen Umstand festmachen, dass sich bis jetzt offenbar noch niemand gefunden hat, der so etwas wie eine wöchentliche, gut aufgemachte Umweltrubrik für den Stadtanzeiger oder das Landauer Wochenblatt betreut. Diese könnte Vorschläge, Anregungen und Informationen zu Umwelt und Naturschutz enthalten. Hier hätte man nach dem Prinzip "steter Tropfen höhlt den Stein" die einfache Möglichkeit, mit großer Regelmäßigkeit in jedes Haus Umweltbewusstsein zu tragen.

Eine Stadt wie Landau bringt immer wieder - häufig recht kostenaufwendig - "Events" zu den unterschiedlichsten Themen hervor. Warum ist so etwas i. d. R. nicht möglich für die breite Palette des Themas Natur und Umwelt?

Man kann nicht einwenden, das alles verursache Kosten, wenn man gleichzeitig keine Hemmungen hat, in zahlreichen öffentlichen Gebäuden, insbesondere Schulen, Jahr für Jahr wegen total unzulänglicher Heizungssysteme Hunderttausende von Mark durch den Schornstein zu jagen - obwohl es die Möglichkeit der kostenneutralen Sanierung durch Energiesparcontracting gibt.

Einmal ganz davon abgesehen, dass die Stadt Kaiserslautern etwa 1 Mark pro Einwohner im Etat für die Agenda 21 für angemessen hält ; es gibt zahlreiche Stiftungen, die unter die Arme greifen könnten; es gibt Geldinstitute, die sich auch in anderen Bereichen gerne als Sponsor geben.; vielen mittelständischen Betrieben, dem Handwerk würde ein aktiver Agenda 21-Prozess nicht wenige Aufträge verschaffen; vielleicht wäre auch von dort die eine oder andere Zuwendung für konkrete Projekte zu erhalten.

Wie weit hier ein Ruck durch die entsprechenden Kreise zu bewerkstelligen ist, hängt auch davon ab, wie gut eine Stadt zu einem solchen Thema PR-Arbeit zuwege bringt.

Ich denke: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg und: "Nichts ist unmöglich". Es soll sogar mit Landau vergleichbare Städte geben, die ein exzellentes und bezahlbares Nahverkehrssystem zustande gebracht haben.

Zwischen Bürgerengagement und Politik besteht eine starke Wechselwirkung; dies sollte bedenken, wer sich nach drei Jahren Agenda 21 in Landau über nachlassende Aktivitäten der Bürger beschwert.

Dieses Schreiben verschicke ich in gleichem Wortlaut an alle Fraktionen im Landauer Stadtrat. Es wird auch dem Stadtvorstand und den Medien zur Kenntnis gegeben.

Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Mohr

Bei Rückfragen:

BUND-Regionalbüro Pfalz

Fon 06341/381672, Fax: 06341/381673,

E-Mail: [email protected]


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