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Statement des BUND Pressesprechers Ulrich Mohr zur Gründungsveranstaltung:

Lassen Sie mich meinen Gedanken einen 10-Thesen-Katalog vorausschicken!

  1. Wenn wir den vierspurigen Ausbau der B 10 zwischen Landau und Pirmasens nicht wollen, sind wir keineswegs Anhänger des St.-Florians-Prinzips.
    Wir arbeiten vielmehr an einer Zukunftsaufgabe, die alle betrifft.
    Wer hier vor Ort gegen unnötigen Verkehr kämpft, der kämpft für eine europäische Verkehrswende.
  2. Der B10-Ausbau verfolgt nicht die Interessen der Region, der dieses Betonband aufs Auge gedrückt werden soll. Die eigentlichen Interessenten sind anonym.
  3. Die Auseinandersetzung um Großprojekte dieser Art wird in unserem Land mehr und mehr zu einer Auseinandersetzung um die Demokratiefähigkeit unserer Gesellschaft. Großprojekte werden hierzulande immer häufiger gegen den Willen der direkt Betroffenen durchgepeitscht.
  4. Die Region Westpfalz hat seit langem anhaltende strukturpolitische Probleme. Aber es ist ein großer Irrtum anzunehmen, die Solidarität zwischen den Regionen müsse einzig und alleine über Straßenbauprojekte definiert werden. Ein Ausbau wird Mercedes nicht nach Pirmasens bringen , aber noch mehr Pirmasenser zu Mercedes auspendeln lassen.
  5. Verkehrswachstum und wirtschaftliches Wachstum sind längst nicht mehr automatisch aneinander gekoppelt. Dies zeigen die Beispiele Schweiz, Niederlande, Schweden und Dänemark. Dort entsteht Prosperität auch ohne ständigen Expansion des Fernstraßennnetzes.
  6. Die derzeit in Deutschland noch betriebene Verkehrspolitik ist nicht zukunftsfähig und wird keine Zukunft haben.
  7. Gegen den Willen der Bevölkerung und gegen den Willen der kommunalen Parlamente entlang der Strecke ist ein vierspuriger B 10-Ausbau letzten Endes nicht durchsetzbar.
  8. Die Straße ist noch nicht gebaut. Es ist noch nicht zu spät. Dass es zu spät sei für den Widerstand, ist eine Behauptung von Lokalpolitikern, die sich als Parteisoldaten und verlängerten Arm der Landespolitik verstehen
  9. Es gibt Alternativen zum B 10-Ausbau. Diese lauten:
  10. Dem verantwortlichen Verkehrsminister, dem aus der Region kommenden Ministerpräsident und den zuständigen Abgeordneten aus Landtag und Bundestag muss die Stimmung der Bevölkerung vor Ort hautnah vorgeführt werden. Sie müssen sich stellen, und zwar bald.

 

Lassen Sie mich nun dieses gedankliche Gerüst nun noch etwas mit Hintergrund versehen, mit Zahlen, Fakten und Argumenten.

 

Die Gegner des Dosenpfandes, darunter unsere rheinland-pfälzische Umweltministerin Martini, sprechen von "Zwangspfand". Der Versuch, ein bisschen Umweltschutz durchzusetzen, wird "Zwang" genannt. Ganz andere Zwänge werden als Freiheit dargestellt. Damit "freie Fahrt für freie Bürger", freier Handel, "freies" Hin- und Herschieben von Gütern um die halbe Welt möglich wird, müssen Millionen von Bürgern immer mehr Zwänge hinnehmen, um die man sie nie gefragt oder gar gebeten hat:

Im Namen eines angeblichen Gemeinwohls wird immer flächendeckender Gemeinschaden zugemutet, den man hinzunehmen habe. Bereits 70 Prozent aller Deutschen klagen über Lärmbelästigung. Trotz Lärmschutzwänden, trotz leiserer Fahrzeuge, trotz Umgehungsstraßen. Schon am Ende der 70-er Jahre hat uns die Bundespolitik ein Ende des Verkehrswachstums und des Straßenbaus versprochen. Eingetreten ist das genaue Gegenteil:

Alleine im letzten Jahrzehnt hat sich die Personenverkehrsleistung um über 30 Prozent, der Straßengüterverkehr sogar um 80 Prozent erhöht. Und die Zukunft sieht nicht besser aus: In seiner Regierungserklärung vom letzten Januar hat der rheinland-pfälzische Verkehrsminister Bauckhage für unser Bundesland bis zum Jahr 2010 eine Vermehrung des Durchgangsverkehrs um 74 Prozent in Aussicht gestellt.

Diese Zahlen werden uns auf den Tisch geknallt, als entsprängen sie irgendwelchen unabänderlichen Naturgesetzen. In Wirklichkeit entspringen sie der bekannten Politikerphantasielosigkeit. In Wirklichkeit werden sie ausgeheckt und zu unumstößlichen Fakten hochgejubelt von anonymen Kapitalinteressen, die sich der Politik als Handlanger bedienen.

Im Blickfeld dieses Denkens ist so z. B. die Transportrelation Benelux – Osteuropa; die nach Zehn- und Hunderttausenden zählende Bevölkerung, die diese Transportrelation Tag und Nacht auszuhalten hat, ganz konkret in Form von Lärm, Gestank und Schadstoffen, tritt nicht ins Blickfeld.

Es muss unsere Aufgabe werden, aus der Rolle der Opferlämmer herauszutreten. Wir müssen sehen und aufzeigen, dass durch die derzeitige Verkehrspolitik längst Grenzen überschritten sind, die nicht nur unsere Leidensfähigkeit , sondern auch unsere Verfassung gezogen hat. Artikel 2, Abs. 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland gibt dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit einen ganz hohen Stellenwert. Dieses Recht muss in Zukunft im Zusammenhang mit Verkehrsgroßprojekten eingeklagt werden.

Das Grundgesetz schützt darüber hinaus das Eigentum. Werden nicht ganze Landstriche enteignet, wenn neue Lärmschneisen gezogen werden? Was wird aus dem Eigentum von Winzern und Gastronomen, denen die Kunden und Gäste abhanden kommen, weil Ruhe und Stille verschwunden sind, die Schönheit der Landschaft wegbetoniert worden ist?

Es sind Grenzen erreicht! Es ist ein "Basta!" notwendig gegen das leichtfertige Spiel mit unseren Grundrechten!

Und wer nicht ständig "mit der Verfassung unterm Arm" herumlaufen will, weil ihm die Ökonomie über alles geht, der soll sich belehren lassen, dass der wirtschaftliche Schaden, den Verkehrsprojekte anrichten, inzwischen höher ist als deren wirtschaftlicher Nutzen. " Mehr" ist ab einem bestimmten Punkt nicht mehr " besser". Eine englische Studie hat erst jüngst wieder gezeigt, dass in einer florierenden Wirtschaft mit einem entwickelten Transportsystem keine Steigerung durch neue Straßen mehr erzielbar ist.

Wie wenig zukunftsfähig unsere derzeitige Verkehrspolitik ist, zeigt sich schon an einem ganz schlichten Faktum: Der Haushalt des Landes Rheinland-Pfalz gibt noch nicht einmal mehr die Mittel her, die gebraucht würden für die reinen Instandhaltungsmaßnahmen für das bereits bestehende Straßensystem in diesem Land. Es fehlen mehrere Hundertmillionen Mark pro Jahr.

Dennoch will man weitere gigantische Verkehrsflächen für PKWs und LKWs schaffen, obwohl wir schon mit Abstand das dichteste Straßennetz unter den 16 Bundesländern haben, obwohl das Land Rheinland-Pfalz als einziges deutsches Bundesland freiwillig die Kosten für Bundesfernstraßen zur Hälfte übernimmt und dem Bund abzunehmen bereit ist.

Wem fällt hier nicht der Vergleich mit Junkies und Suchtverhalten ein?

Süchtige sind unberechenbar und gefährlich. Deshalb muss mit dem Äußersten gerechnet werden, und zwar sowohl was die Verkehrsbelastung der Region betrifft als auch was die Härte der Durchsetzung betrifft. Wir haben es gewissermaßen mit "Beschaffungskriminalität" zu tun.

Keineswegs ist nur Annweiler betroffen. Am Ende der verkehrspolitischen Phantasien von Politik und Planern steht ein Verkehrskreuz Südpfalz. Schnittpunkt wird Landau sein. Die Bienwaldautobahn schafft den europäischen Nord-Südverkehr von Madrid bis Kopenhagen heran, und die B 10 wird zusammen mit A 65 und B 272 die Schleusen öffnen für die Verknüpfung Westeuropas mit Osteuropa. Auf beiden Achsen werden sich die täglichen Schlachten des europäischen Transitverkehrs mit Tausenden von 40-Tonnern abspielen. Dass dazwischen Bevölkerung wohnt, mit Erholungssuchenden, mit Kleinkindern, Kranken, Alten und Sterbenden, wird von den Urhebern dieses möglichen Desasters wohl als "Kolateralschaden" betrachtet.

Noch können wir das alles verhindern, trotz des Geschwätzes von feigen Politikern, die uns vormachen wollen, die Straße sei eigentlich schon gebaut. Es gibt noch keine fertige Planung, es gibt noch kein Planfeststellungsverfahren!

Die Anrainerstaaten der Alpen von Frankreich bis Slowenien haben einmütig beschlossen: Es gibt keine weitere Alpentransversale! Warum sollten die Pfälzer nicht auch sagen: Zwei Autobahnen genügen. Eine dritte, heimliche Autobahn durch den Pfälzerwald brauchen wir nicht?

In den Alpen ist offensichtlich niemand auf die Idee gekommen, dass man wegen Verzichts auf weitere Straßen strukturpolitisch abgehängt werde; im Gegenteil. Und unsere westpfälzischen Kritiker sollten sich einmal in Baden-Württemberg oder in Bayern anschauen, wie wirtschaftlich blühende Landschaften auch abseits großer Straßen entstehen können. Es kommt halt auch etwas auf strukturpolitische Phantasie und Kreativität an - und nicht nur auf eine "große Straße" als allein seligmachende Lösung aller Probleme.

Unter den heutigen Bedingungen im deutschen Verkehrswesen sind nicht wir die "Traumtänzer". Die anderen träumen nicht mehr realisierbare Träume. Deshalb: Die vierspurige B 10 ist noch nicht gebaut. Und was nicht ist, muss auch nicht werden.

Nehmen wir unser Demokratenherz in die Hand! Stellen wir unsere Politiker zur Rede, und zwar bald und im Gespräch mit allen; und nicht nur in kleinen Hinterzimmern, umringt und umstellt von gut präparierten Lobbyisten; wirken wir in die Öffentlichkeit, sorgen wir für Benefizkonzerte, sammeln wir Gelder und Unterschriften!!

Lassen wir uns nicht ködern mit ein paar Lärmschutzwänden: Lärm, Ozon, Schadstoffe, Klimaveränderungen wirken flächendeckend, lassen sich nicht hinter noch so hohen Dämmen und schick bemalten Betonwänden verstecken!

Deshalb sage ich auch: Geben Sie sich die Rechtsform eines eingetragenen Vereins mit klar umrissenen und hinterher nicht wegzudiskutierenden Satzungszielen.

Organisieren Sie die Verständigung zwischen den Bürgerinitiativen und Gremien aller betroffenen Gemeinden und Ortsteile, die wie auf einer Perlenschnur von Landau-Schützenhof bis Wilgartswiesen aneinandergereiht sind.

Denken Sie den Begriff des Gemeinwohls neu! Es gibt nicht nur Regierungen, es gibt auch das Volk. Bertolt Brecht hat zum Volksaufstand vom 17. Juni 1953 einst ironisch gefragt:

 

...Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?

Ich denke, wenn wir uns einig und phantasievoll wehren, dürften wir gute Aussichten haben, dass uns so bitterböse Worte erspart bleiben.

Ich wünsche der entstehenden Bürgerinitiative gutes Gedeihen und viel Erfolg"


Falls Sie Fragen haben, einfach anrufen. 

Kontaktadresse: BUND Regionalbüro Pfalz

oder senden Sie uns ein E-Mail: [email protected]

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